Die Ö-Norm B3691, „Planung und Ausführung von Dachabdichtungen“—Alles Gut, oder doch nicht?
Die Ö-Norm B3691 , Planung und Ausführung von Dachabdichtungen, ist für uns Schwarzdecker, oder besser „Bauwerksabdichter“ die technische Grundlage zur ordnungsgemäßen Herstellung einer Dachabdichtung. Sie ist sozusagen unser „tägliches Brot“. In der Praxis bin ich als einerseits ausführendes Unternehmen, andererseits als Sachverständiger oft in der sogenannten „Zwickmühle“. Häufig werde ich als ausführendes Unternehmen, als Handwerker gefragt: „warum führst du dieses Abdichtungsdetail nicht so aus, es ist doch technisch okay, oder?“. Wenn ich dann nicht als Handwerker sondern als Sachverständiger erwidere:“ du hast Recht, aber diese Ausführung entspricht nicht der Ö-Norm !“ ; kommen mir oft Zweifel. „Sind alle Anforderungen aus der Ö-Norm B3691 uneingeschränkt sinnvoll, oder ist die Kosten-Nutzenrechnung auch dann und wann unverhältnismäßig?
Ist die B3691 vertraglich fixiert, hat man sich daran zu richten. Tut man das als Handwerker nicht bleibt im Schadensfalle nicht viel Spielraum. Ist man seiner Hinweispflicht, oder besser „Prüf und Warnpflicht“ nicht nachgekommen hat man als ausführende Firma meist den „schwarzen Peter“. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass die technischen Standpunkte aus der Ö-Norm nicht die eigene Kompetenz, das eigene Denkvermögen ersetzen. Im Falle einer unverhältnismäßigen Kosten-Nutzenrechnung bringen sie bitte eine technisch einwandfreie Lösung, welche sich positiv auf Ihren Auftraggeber und Sie auswirkt vor, auch wenn sie nicht der Ö-Norm B3691 entspricht. Wenn beide Parteien einverstanden sind, eine technische Gleich oder Höherwertigkeit im Vergleich zur Norm vorliegt, dann bitte führen sie Ihren Vorschlag aus.
Was passiert nun im Schadensfall?
Ich möchte in diesem Zusammenhang hier eine Passage aus einem Aufsatz von Rechtsanwalt Ing. DDr. Hermann Wenusch zitieren: „ Der Sachverständige wird wegen seines Sachverstandes bestellt und nicht deshalb weil er Ö-Normen lesen kann. Er wird die einschlägigen ÖNormen natürlich berücksichtigen, ebenso wie er Standardlehrbücher, verbreitete Publikationen, etc. berücksichtigen muss. Er muss aber unbedingt seine persönliche (berufliche) Erfahrung berücksichtigen.“ Was bedeutet diese Aussage nun für uns Bauwerksabdichter? Die Ö-Norm ist nicht in Stein gemeißelt, das bedeutet es. Bei technisch einwandfreien Lösungen, welche durch Lehrbücher, Publikationen und vor allem der eigenen Erfahrung gedeckt sind , darf die Abweichung zur Norm kein Problem darstellen
Ich möchte daher einen durchaus kontroversiell diskutierte Punkte aus der Ö-Norm B3691 aufgreifen um den Anreiz zu geben nicht nur in Ö-Norm Passagen zu denken sondern sich öfters die Frage zu stellen: „ Was ist technisch machbar und sinnvoll (Hier möchte ich speziell auch auf die Kosten/Nutzen Rechnung hinweisen) und was kann ich als Handwerker vertreten, auch wenn es nicht der besagten Ö-Norm entspricht. Mut zur Eigenverantwortung ist hier gefragt.
Entwässerungsrinnen/Rigole in Bezug auf die An und Abschlusshöhen von Abdichtungshochzügen an aufgehenden Bauteilen, insbesondere bei Terrassentüren oder Portalen
Die Anschlusshöhen von Abdichtungshochzügen an aufgehenden Bauteilen wie Wände oder Türen sind in der Ö-Norm B3691, ins besonderes in Tabelle 9 und 10 geregelt. Die Ö-Norm besagt, dass ohne zusätzliche Maßnahmen die grundsätzlichen Regelanschlusshöhen bei Wänden mind. 15cm, bei Türelementen mind. 10cm einzuhalten sind. Da heutzutage in den meisten Fällen barrierefrei gebaut wird, sind diese Regelanschlusshöhen nicht zu halten.
Um die Anschlusshöhen zu reduzieren, sieht die Ö-Norm zwei entscheidende Parameter vor: Einerseits ein Vordach, andererseits eine Rigolrinne vor den Anschlüssen. Es wird beschrieben wann ein Vordach ein Vordach ist, und bei welchen Rigolbreiten bzw. Rigolhöhen um welches Maß die Anschlusshöhen reduziert werden dürfen.
Hört sich kompliziert an – ist es auch
Allerdings, als Handwerker , der jeden Tag mit solchen Problemstellungen konfrontiert ist, hat man es bald „heraußen“. Soweit so Gut.
Welchen Zweck erfüllt eigentlich das Rigol.
Das Rigol sorgt für einen raschen Abfluss des Wassers bei Regen. Durch sein Fassungsvermögen, abhängig von Breite und Tiefe, verhindert es, dass es in abdichtungssensiblen Bereichen zu einem Wasseranstau kommt. In der Kombination mit Drainagematten unter der Belagsoberfläche bzw. Stichkanälen vom Rigol zur Entwässerungseinrichtung stellen diese Ö-Norm Auflagen eine wesentliche Verbesserung zu früheren Normen dar und tragen den immer stärker ausfallenden Regenereignissen Rechnung.
Allerdings gibt es einen Punkt der unbedingt hinterfragt werden muss: Warum benötigt man ein Rigol bzw. eine Entwässerungsrinne wenn der Terrassenbelag selbst mit offenen Fugen ausgestattet ist und sich das Wasser unter der Belagskonstruktion ungehindert ausbreiten kann bzw. am Entwässerungspunkt ohne Rückstau abläuft ?
Über folgende Punkte muss man sich Gedanken machen
Weist die Entwässerungsebene ein ausreichendes Gefälle auf ?
Der Abflussraum erfährt durch die Lagerkonstruktion keine Einschränkung.
Ist die Fugenfreiheit auch über einen längeren Zeitraum auch ohne aufwendige Wartung sichergestellt ?
Der Abflussraum weist keine Retentionswirkung auf, welche den Abfluss verlangsamt oder gar zu einem Rückstau führen kann.
Es gibt keine Verschlammung im Abflussraum bzw. in der Abflusseinrichtung
Kann ich für die geplante Ausführung alle Fragen mit : „Ja“ beantworten steht einer technisch einwandfreien Ausführung ohne Rigolrinne im Anschlussbereich nichts im Wege.
Weiters gibt es noch eine sehr gewichtiges Argument, welches im Falle eines geeigneten Oberflächenbelages das Rigol obsolet macht; Die Schweizer Norm
Die Schweizer Normung sieht für aufgeständerte Beläge aller Art verschiedene Möglichkeiten vor. Alle diese Empfehlungen haben gemeinsam, dass ein Fugenanteil von 5% sowie eine Fugenbreite von mindestens 8mm jedenfalls als ausreichend durchlässig gilt und kein Rigol im Anschlussbereich (selbst bei einer Hochzugshöhe von Null über fertigen Belag) erforderlich ist.
Da aus klimatischer Sicht die Schweiz mit Österreich durchaus vergleichbar ist, sollte man den Schluss daraus ziehen dürfen, dass diese Ausführung nicht ganz falsch sein kann.
Normierung und Standardisierung sind wichtig und notwendig. Sie erleichtern allen Akteuren die Zusammenarbeit. Da bei der Erstellung der Norm aber nicht nur der „technisch Gelehrte“ das sagen hat, sondern auch die verschiedenen Industriezweige ihre Interessen verfolgen sollte man die Normen nicht als „einzige Weisheit“ verstehen.